Winterstürme und Tornados
Man kennt Tornados vor allem aus dem Sommerhalbjahr in Zusammenhang mit kräftigen Gewittern. Dass sie nicht nur in den USA auftreten, sondern in vielen anderen Staaten und auch bei uns in Deutschland, ist inzwischen recht bekannt. Sogar sehr starke Tornados mit verheerenden Auswirkungen gibt es hier und selbst tonnenschwere Mähdrescher wurden schon durch die Luft gewirbelt. Tornados kommen in Deutschland aber auch im Winter vor, dann vor allem in Zusammenhang mit Sturm- und Orkantiefs. Sie können Menschenleben gefährden und Schäden in Millionenhöhe anrichten.
Das Satellitenbild (Quelle: NASA) zeigt das Orkantief „Erwin“ über der Nordsee mit der zugehörigen Kaltfront, die von Dänemark und Schleswig-Holstein über die Benelux-Staaten bis nach Frankreich reicht.
Entstehung
Damit Tornados entstehen können, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Bodennah muss feuchte Luft vorhanden sein, dazu große vertikale Temperaturgegensätze (Labilität). Luft steigt auf, es bilden sich Schauer und Gewitter. Ändert der Wind mit zunehmender Höhe seine Richtung und wird deutlich stärker, spricht man von starker Windscherung. Im Bereich der aufsteigenden Luft in Schauern/Gewittern kann dabei ein Tornado entstehen.
Ausbildung einer Gewitterlinie
Zieht nun ein Sturm- oder Orkantief vom Atlantik nach Skandinavien oder direkt über Deutschland hinweg nach Osten, strömt hinter der zugehörigen Warmfront mit südwestlichem Wind oft sehr milde und gleichzeitig feuchte Luft heran. Die nachfolgende Kaltfront bewirkt großräumiges Aufsteigen der Luft und es bilden sich vermehrt Schauer und Gewitter, die sich entlang der Front linienförmig anordnen können. Es kann sich sogar eine sommerlich anmutende Gewitterfront formieren.
Im Bereich dieser Gewitterlinie sind die Voraussetzungen für die Tornadoentstehung sehr günstig. Eingelagerte „Mesozyklonen“ – eine Art kleine Tiefdruckgebiete – bringen gar nicht so selten Tornados hervor, die sogar stark sein können. Das Radarbild aus dem November 2015 zeigt eine solche Gewitterlinie mit Verdickungen – eingelagerten Mesozyklonen.
Auswirkungen und Besonderheiten
Das Schadensbild nach einem Wintersturm-Tornado sieht ganz anders aus als nach einem typischen sommerlichen Tornado. In den meisten Fällen ergeben sich deutlich verschiedene Fallrichtungen der Bäume und auch ein nächtlicher Tornado lässt sich im Nachhinein oft noch verifizieren.
Markante Waldschäden nach einem Sturmereignis
Bei Tornados im Bereich von Winterstürmen ist dies anders, sie ziehen sehr schnell über das Land. Bei schnell ziehenden Tornados muss man auf der rechten Seite der Zugbahn die Zuggeschwindigkeit zu der Drehgeschwindigkeit addieren und kommt somit hier auf sehr hohe Windgeschwindigkeiten. Auf der linken Seite der Zugbahn wirkt die Zuggeschwindigkeit der Drehbewegung entgegen und es treten praktisch keine Schäden auf. Damit fallen die meisten Bäume mehr oder weniger in eine Richtung und das Schadensbild ähnelt dem einer Gewitterböe.
Woran erkennt man nun, dass es doch ein Tornado war, der die Schäden angerichtet hat? Bei einer Gewitterböe („Downburst“) liegen die Bäume leicht divergent; die Luft stürzt im Abwindbereich des Gewitters mit dem Niederschlag herab, irgendwann ist einfach der Boden sozusagen im Weg und die Luft breitet sich in alle Richtung aus, bevorzugt in Zugrichtung des Gewitters. Es ergibt sich ein aufgefächertes Schadensbild mit divergentem Schadensmuster.
Bei einem schnell ziehenden Tornado ist das Fallmuster der Bäume dagegen leicht konvergent. Die Bäume fallen also leicht zur Mitte der Schneise hin. Manchmal ergibt sich so ein regelrechtes Mikadomuster (Fotos: Dennis Müller, Schäden durch einem Tornado an der Kaltfront des Orkantiefs „Felix“ am 10.01.2015). Zudem gibt es erhebliche Verfrachtungen auch größerer Gegenstände, sogar von Fahrzeugen. Dachteile fliegen oft Hunderte Meter weit und werden dann aus dem Tornado sozusagen ausgespuckt, meist am linken Rand der Schneise. Mit den Verfrachtungen verbunden sind Einschläge von Gegenständen in Fenstern und Hauswänden. Als weiteres Indiz ist das Vorhandensein einer sehr langen und schmalen Schneise zu werten, das Verhältnis Länge zu Breite sollte größer als 10:1 sein. Auch eine extrem kurze Andauer des Sturms von nur wenigen Sekunden ist ein Anzeichen für einen möglichen Tornado.
Schwere Schäden durch einen Tornado am 18.01.2007, Orkantief „Kyrill“
Beispiele
Schon häufig wurden an den Kaltfronten von Sturm- oder Orkantiefs Tornados in Deutschland registriert. An der Kaltfront des Orkans „Kyrill“ gab es am 18.01.2007 insgesamt mindestens 5 bestätigte Tornados, dazu kommen fast 40 Verdachtsfälle, die nicht geklärt werden konnten. Auch an der Kaltfront des Orkantiefs „Emma“ am 01. März 2008 entwickelten sich reihenweise Gewitter mit heftigen Böen und mindestens einem Tornado. In zahlreichen weiteren Fällen gab es Indizien, die für einen Tornado sprachen. Diese Fälle konnten aber nicht nachgewiesen werden.
Statistik
Tornados, die im Bereich von Wintersturmtiefs entstehen, wurden lange Zeit nicht erforscht. Daher ist die bisherige Statistik sehr unvollständig, zumal viele Tornadoverdachtsfälle hinterher nicht geklärt werden konnten. Dies liegt unter anderen daran, dass das Schadensbild dem einer Gewitterböe sehr ähnlich ist und dass die meisten Tornados im Winterhalbjahr im Dunkeln auftreten. Bekannt sind seit 1990 bisher 22 Tornados in Winterstürmen, dazu kommen mehr als 80 Verdachtsfälle. Insgesamt sind bislang 64 Wintersturm-Tornados registriert, darunter einige starke bis sehr starke mit verheerenden Auswirkungen.
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Sehr interessant! Können Tornados denn vielleicht auch entstehen in Bodentroglinien hinter das Kaltfront?
Ja, aber davon sind im Winterhalbjahr nur wenige Fälle bekannt. Die meisten Tornados im Winter entstehen im Bereich von Sturm- oder Orkantiefs.