Was ist eine Superzelle?
Oft ist bei Unwetterlagen von so genannten Superzellen die Rede. Aber was ist eigentlich genau eine solche Superzelle und was macht sie so gefährlich? Warum sollte man einer Superzelle lieber aus dem Weg gehen? Bringen alle Superzellen Tornados hervor?
- Übersichtsseite zu Unwettern / Gewittern mit zahlreichen Radartools
- Vorhersagekarten Gewitter (rosa)
- Alles als App: Pflotsh Storm
Ist jedes starke Gewitter eine Superzelle? Nein. Weist ein Gewitter klar getrennte Auf- und Abwindbereiche auf, kann es sehr stark werden. Rotiert der Aufwindbereich der Gewitterzelle, dann spricht man von einer „Mesozyklone“. Dies hat nichts mit dem tropischen Wirbelsturm auf dem Indischen Ozean zu tun, sondern Zyklone ist ein anderes Wort für Tiefdruckgebiet. Die Vorsilbe Meso aus dem griechischen bedeutet so viel wie mittlere, womit in der Meteorologie alle Vorgänge mit einer Größenordnung zwischen 2 und 2000 Kilometern gemeint sind. Es handelt sich also schon um ein stattliches Gewitter mit einer kilometerweiten Ausdehnung allein des Aufwindbereiches. Hält sich nun eine solche Mesozyklone längere Zeit (mindestens 30 Minuten), erst dann spricht man von einer Superzelle. Manche Superzellen können sich über Stunden halten und dabei Hunderte Kilometer zurücklegen. In Deutschland werden in jedem Jahr einige Dutzend solcher Superzellen beobachtet.
Wie entstehen nun diese Superzellen? Wichtigste Zutat ist hohe Luftfeuchtigkeit in der untersten Schicht der Troposphäre, damit überhaupt Kondensation (Wolkenbildung) einsetzen kann. Dann müssen die vertikalen Temperaturgegensätze ausreichend groß sein, man spricht von großer Labilität. Leichte Luft steigt schneller auf und wenn sie feucht ist, bilden sich durch Kondensation Wolken. Steigt die Luft sehr schnell bis in große Höhen, entstehen hoch reichende Schauer- und Gewitterwolken. So weit so gut, aber es fehlt noch eine wichtige Zutat, die wir Meteorologen „Windscherung“ nennen. Darunter verstehen wir die Änderung der Windgeschwindigkeit und der Windrichtung mit der Höhe. Weht in der Höhe starker Wind, zieht das Gewitter nicht nur schnell weiter, es bleibt auch erhalten. Ohne Höhenwind entsteht die Gewitterzelle, der Niederschlag (Regen, Hagel) fällt aber genau dort, wo vorher auch der Aufwind das Gewitter hervorbrachte. Damit fällt das Gewitter schnell wieder in sich zusammen. Weht aber in der Höhe starker Wind, bekommt die Gewitterwolke sozusagen Schieflage, Auf- und Abwindbereich sind getrennt, der Niederschlag fällt nicht im Aufwindbereich, der stundenlang erhalten bleiben und durch die Änderung des Windes mit der Höhe rotieren kann – die Superzelle ist geboren. Man unterscheidet zwischen Superzellen mit wenig Niederschlag (low precipitation, LP) und solchen mit viel Niederschlag (high precipitation, HP). Das obige Foto von Bernd März zeigt eine HP-Superzelle bei Annaberg (Sachsen) am 25.06.2016.
Zieht eine Superzelle übers Land, hinterlässt sie oft große Schäden. Diese reichen von Überschwemmungen durch große Regenmengen hin zu Schäden auf Feldern und in Gärten sowie an Dächern durch Großhagel. Hagelkorngrößen ab etwa 5 Zentimeter sind ein wichtiges Indiz für das Vorhandensein einer Superzelle, sie können mit unserem Hageltool erkannt werden. Außerdem treten Sturmschäden durch Gewitterfallböen („Downburst“) auf. Solche Böen entstehen, wenn mit dem fallenden Regen und Hagel Luft im Gewitter hinabstürzt und sich am Boden vor allem in Zugrichtung des Gewitters ausbreitet. In einem solchen Downburst können im Extremfall Windgeschwindigkeiten bis weit über 200 km/h auftreten. Auf den ersten Blick kann es danach schon mal aussehen, als ob ein Tornado durchgezogen wäre.
Zusätzlich zu den bereits beschriebenen Auswirkungen können sich bei Superzellen auch Tornados bilden. Sie entstehen im Aufwindbereich der Superzelle. Allerdings bringen nach Schätzungen nur etwa 10 bis 20 Prozent aller Superzellen tatsächlich Tornados hervor. Die restlichen Tornados, die bei uns vorkommen, entstehen in ganz normalen Schauern oder schwächeren Gewittern. Man geht aber davon aus, dass die meisten Tornados ab der Stärke F3 (oberhalb etwa 250 km/h) im Bereich von Superzellen entstehen. Welche Superzelle wann einen Tornado hervorbringt, weiß aber niemand. Erst wenn eine Superzelle bereits existiert, kann man die Rotation an Hand von Radarbildern feststellen und in Zusammenarbeit mit Beobachtern vor Ort, den Stormchasern (z.B. vom Verein Skywarn Deutschland e.V.), erkennen, ob ein Tornado vorhanden ist oder gerade entsteht. In dem Fall sind auch kurzfristige Tornadowarnungen möglich.
Wie erkenne ich nun eine solche Superzelle, wenn ich draußen unterwegs bin? Schlecht bis gar nicht. Nur in seltenen Fällen kann das geübte Auge vor Ort schon sehen, dass es sich um eine solche Superzelle handelt. Rotation des Aufwindbereiches ist zwar häufiger zu sehen, aber selten kann man eine Zelle ausreichend lang beobachten, um die Beständigkeit der Zelle beurteilen zu können. Man kann aber mit unserem Stormtracking, einer Radar-Vorhersage, feststellen, ob an einer Gewitterzelle Rotation vorhanden ist. Wenn sie erkannt wird, erscheint wie im obigen Beispiel ein entsprechendes Symbol für die Rotation.
In den vergangenen Jahren gab es in den sozialen Netzwerken wie Facebook und Twitter sowie in einschlägigen Wetterforen im Internet eine wahre Inflation an Superzellen, die auch auf einige Medien übergriff. So wurden und werden heute noch allzu oft normale Gewitter zu Superzellen erklärt, ohne die entsprechenden Radarbilder geprüft zu haben. Superzellen treten nicht allzu häufig auf, während einer Unwetterlage sind es oft nur ein oder zwei, selten mehr. Das Foto von Gerd Bierling zeigt eine Superzelle, die am 21.07.2009 von Belgien her nach Nordrhein-Westfalen zog und hier gleich mehrere Tornadoverdachtsfälle hervorbrachte. Es war eine der eindrucksvollsten Superzellen der vergangenen Jahrzehnte in Deutschland. Sie wies einen riesigen niederschlagsfreien Aufwindbereich auf, in den Luft von außen einströmte und eine so genannte Tailcloud ausbildete. Am rechten Bildrand ist der starke Niederschlag im Abwindbereich zu erkennen.
Das detaillierteste Wetter-Radar auf dem deutschen Markt: unsere Kachelmann Radar & Blitz HD App für iOS im AppStore und für Android im PlayStore!
Das HD Regenradar, HD Satellitenbilder sowie Wettervorhersagen für jeden Ort in Europa, zahlreiche aktuelle Messwerte und teils Jahrhunderte alte Messwerte der Wetterstationen finden Sie auf kachelmannwetter.com. Außerdem: exklusive Modellkarten wie signifikantes Wetter in Super HD oder Sonnenscheindauer-Vorhersage in HD, Gewitter-Risiko sowie kompakte Wettervorhersage in HD und Super HD – alles auf einen Blick! All unsere Karten sind zoombar bis auf Landkreisebene, zeitlich variierbar und verschiedene Parameter wählbar. Wie ist der weitere Wetter-Trend? Unsere XL-Vorhersage weiß es (einfach Ort in Europa eingeben). Wetternews aus Deutschland, Europa und aller Welt gibt’s im Wetterkanal.
All unsere Erklärbärstücke finden Sie im Wetterlexikon!
Holen Sie sich Ihr Kachelmannwetter-Widget für Ihre Homepage!
Hallo Herr Sävert und danke für Ihre ausführlichen Erklärungen!
Sie schreiben im Artikel, dass Gewitter bei fehlendem Höhenwind sehr schnell wieder zerfallen, weil sie sich selbst die Energiezufuhr abschneiden. In den letzten Wochen war es ja aber oft der Fall, dass es fast keinen Höhenwind gab und die Gewitter über der selben Region waren und sich ausgeregnet haben. Wie kommt es, dass diese Gewitter sich solange halten konnten. Hätten sie sich nicht „selbst zerstören“ sollen?
danke schonmal für die Antwort
– der Wetterenhusiast
Hallo, vielen Dank für den Kommentar. Ja, wenn die Gewitter an Ort und Stelle stehen bleiben, dann zerfallen sie meist auch recht schnell wieder. Das bedeutet, dass der Aufwindbereich zerstört wird, aber die Wolke sich an einem Ort förmlich ausregnet. Dieser Ausregnungsvorgang kann sich so weit hinziehen und so heftig ausfallen, dass die schweren Überflutungen auftreten, die wir gesehen haben. Was auch passieren kann: Mehrere sich langsam verlagernde Zellen ziehen über denselben Ort hinweg, so dass es praktisch keine Pause gibt und der Eindruck erweckt wird, dass es sich um ein einziges Gewitter handelt.
Grüße, Thomas Sävert
Hallo Herr Sävert.
Ich habe eine Frage an sie : Was für Auswirkungen haben 700mm Regen in 30 Minuten ? Das wären ca. 22mm in einer Minute, man würde keine Meterweit sehen können und das regenwasser wäre gleich der Lautstärke eines Vorbeifahrenden Zug´s ?
Was können sie dazu sagen ? Auf jedenfall ist sowas möglich, mich interessieren die Auswirkungen.
Hallo, das kann wohl niemand sagen, wie sich eine solche Regenmenge auswirken würde. So große Mengen gab es seit Beginn der Messungen nicht einmal annähernd und sie erscheinen mir auch etwas hoch. Die Auswirkungen wären auf jeden Fall katastrophal.
Solche Wolkenbrüche gibt es sehr wohl , 2 cm pro Quadratmeter in einer Minute ist bestimmt nicht von der Hand zu weisen, leider – glücklicherweise halten solche Wolkenbrüche meist keine 30 Minuten an , derartige Wolkenbrüche passieren oft in Tallagen von Gebirgen wo sich die Cumulonimben akkumulieren können , ein solcher Wolkenbruch überraschte mich vor 2 Monaten abends , teils mit Hagel verbunden , meine Scheibenwischer schafften es nicht und ich musste anhalten , ebenso lief Wasser ins Auto . wenn man n Eimer hinstelltbei so einem Bruch, da sind schon 1-2-3,wenige centimeter drin pro minute , es muss nicht immer eine Wettermessstation in der nähe sein , und sicher haben Profi als auch Hobby wetterfrösche solche Messungen beobachtet . gruss von einem Wasserfrosch ( Bademeister )