Was ist die Nordatlantische Oszillation und was hat sie mit dem Winter in Europa zu tun?
Die Atmosphäre ist ein sehr komplexes System. Auf der gesamten Erdkugel gibt es viele verschiedene Strömungen, die auf unterschiedliche Weisen miteinander und mit den anderen Klimasystemen, wie zum Beispiel der Hydrosphäre (Ozeane, Seen und Flüsse), wechselwirken.
Ein für Europa bedeutendes Wetter- und Klimaphänomen ist die Nordatlantische Oszillation, kurz NAO. Sie hat vor allem in den Wintermonaten einen entscheidenen Einfluss auf das Wetter von Europa bis zur Ostküste der USA.
Islandtief und Azorenhoch bestimmen die Großwetterlage
Die Großwetterlage in Europa ist von zwei Druckgebilden geprägt: einem Tiefdruckgebiet über Nordeuropa und einem Hoch über Südeuropa. Es handelt sich um das berühmte Islandtief und das Azorenhoch. Diese beiden sind nahezu ständig präsent; mal stärker, mal schwächer ausgeprägt und in der genauen Lage auch variabel. Das heißt, sie können sich weiter nach Westen, Osten, Norden und Süden verschieben. Das Islandtief schickt feuchte, kühle Luft nach Mitteleuropa, das Azorenhoch sorgt dagegen in der Regel für sonniges und warmes Wetter (vor allem im Sommer). Das Wechselspiel zwischen den beiden bestimmt nun das Wetter in Europa. Mal dominiert das eine, mal das andere.
Was ist die Nordatlantische Oszillation?
Die Nordatlantische Oszillation beschreibt die Schwankung des Luftdruckunterschieds zwischen Islandtief und Azorenhoch. Die Stärke der NAO wird durch den NAO-Index wiedergegeben.
Sind beide Druckgebilde besonders kräftig (im Hoch also besonders hoher Luftdruck, im Tief besonders tiefer Luftdruck), dann herrscht ein großer Luftdruckunterschied zwischen beiden und man spricht von einer positiven NAO. Die folgende Abbildung zeigt das vereinfachte Schema dieser NAO-Phase. Ein großer Luftdruckunterschied wird durch viel Wind ausgeglichen (wieso wird hier genauer erklärt). Über dem Nordatlantik werden durch das Zusammenspiel von Tief und Hoch somit die Westwinde stärker. Damit wird milde und feuchte Meeresluft nach Mitteleuropa gelenkt. Diese Westwetterlagen sind übrigens auch die vorherrschenden Wetterlagen in Deutschland.
Bei der negativen NAO ist es genau umgekehrt. Islandtief und Azorenhoch sind nur schwach ausgeprägt. Als Folge dessen schläft auch der Westwind ein, da die Luftdruckunterschiede nicht mehr so hoch sind (ein schwaches Hoch hat einen geringeren Luftdruck, ein schwaches Tief einen höheren Luftdruck als „normal“). Dadurch können sich nun viel leichter andere Wetterlagen durchsetzen. Oft bildet sich sogar ein sogenanntes blockierendes Hoch über Osteuropa, wodurch kalte und eher trockene Luft von Osteuropa nach Deutschland und Mitteleuropa einsickert. Tiefdruckgebiete haben dann keine Chance mehr, Deutschland zu erreichen und müssen nach Süden ausweichen.
Die NAO ist das ganze Jahr über präsent. Am signifikantesten ist sie allerdings in den Wintermonaten, da zu dieser Zeit die Druckunterschiede zwischen Islandtief und Azorenhoch besonders groß sein können. Tatsächlich kann ein Großteil der Wetterlagen im Winter auf die NAO zurückgeführt werden. Da es sich allerdings um ein komplexes System handelt, kann man nicht pauschal das komplette Winterwetter auf die NAO beziehen. Dafür spielen zu viele verschiedene Prozesse eine Rolle und die NAO selbst steht auch im engen Zusammenhang mit der sogenannten AO, der Arktischen Oszillation (dazu mehr in einem späteren Erklärstück).
Die genauen Auswirkungen der NAO auf das Wetter in Europa
Schauen wir uns nun also die zwei NAO-Phasen bezogen auf das Winterwetter mal etwas genauer an. Denn je nach Region in Europa haben die NAO-Phasen unterschiedliche Auswirkungen auf die Temperatur- und Niederschlagsverteilung. Wie wir oben bereits gesehen haben, ist der NAO-Index ein Maß für die Stärke der Westwindzone. Je nach NAO-Phase verschiebt sich die Lage der Westwindzone (Jetstream) weiter nach Norden oder Süden.
Die positive NAO-Phase
Bei der positiven Phase verläuft der Jetstream weiter nördlich über Nordwesteuropa, manchmal auch direkt über Mitteleuropa hinweg. Von Westen her ziehen Tiefdruckgebiete entlang des Jetstreams nach Osten hinweg und sorgen mit milder und feuchter Meeresluft für unbeständiges Wetter in Deutschland. Oft können sich auch Sturmtiefs bilden und für entsprechend stürmisches Wetter von Großbritannien bis nach Mitteleuropa sorgen. In Südeuropa dominiert dagegen hoher Luftdruck. Dort gibt es weniger Niederschlag als im Durchschnitt und auch die Temperaturen bleiben eher unterdurchschnittlich, da mit einer östlichen Strömung dort trockene und vergleichsweise kalte Luft einströmt.
Der Einfluss der NAO geht jedoch über Europa hinaus. Er reicht bis nach Grönland und an die Ostküste der USA. Nach Westgrönland strömt von Norden her kalte und eher trockene Luft ein, an die Ostküste der USA lenkt das Azorenhoch vom Atlantik her milde und feuchte Luftmassen.
Die negative NAO-Phase
Bei der negativen NAO-Phase verläuft der Jetstream über der gesamten Nordatlantik-Region weiter südlich. In Europa ziehen die Regenwolken vom Atlantik also in Richtung Südeuropa und sorgen dort für einen milden und feuchten Winter, während nach Deutschland/Mitteleuropa von Norden und Osten kältere Luftmassen einsickern können. Auch die Niederschläge bleiben eher unterdurchschnittlich. Diese Phase würde also kaltes Winterwetter in Deutschland bedeuten.
Ebenfalls kalt wird es an der Ostküste der USA. Bei dieser Phase kann sich der Jetstream über Amerika weit nach Süden verlagern. In den Osten der USA kann somit von Norden her arktische Kaltluft bis in den Süden vordringen und verbreitet für Winterwetter sorgen. In Westgrönland wird es dagegen wärmer als normal und es fällt auch mehr Niederschlag als üblich, da mildere Luftmassen vom Atlantik und amerikanischen Festland her einsickern können.
Der aktuelle NAO-Index
Das Climate Prediction Center der NOAA gibt einen täglichen NAO-Index heraus, der auf Beobachtungsdaten beruht. Momentan liegen wir in einer ausgeprägten positiven Phase der NAO.
Schaut man sich den Verlauf in den letzten Monaten mal genauer an, dann erkennt man den Einbruch des Index ab dem 16. November bis etwa zum 20. November. Das ist genau die Phase, in der sich im November der große Wetterumschwung vom rekordwarmen Wetter zum Winter vollzog. Ebenso sieht man Ende November den starken Anstieg innerhalb weniger Tage. Das war der erneute Wetterumschwung von Winter in das stürmische Herbstwetter.
Sehr geehrte Frau Krampitz, sehr geehrter Herr Kachelmann,
mit Interresse habe ich Ihren Artikel zum Zusammenhang des NOA zur Großwetterlage in Europa gelesen. Die Hauptaussage zum Einfluss des NOA Index fand ich sehr interessant und nachvollziehbar, allerdings musste ich die Glaubwürdigkeit dieser Theorie gleich wieder in Frage stellen, da der abgebildete Trendverlauf des NOA nicht mit dem Inder Qelle des NOAA übereinstimmen.
Können Sie die Diskrepanz erklären?
Mit freundlichen Grüßen
Lars Wilke
Sehr geehrte Frau Krampitz, sehr geehrter Herr Kachelmann,
ich hatte übergesehen, dass Ihr Artikel von 2015 war. Ich hatte Ihr Diagramm mit den aktuellen Daten verglichen.
Ich muss mich entschuldigen!
Mit freundlichen Grüßen
Lars Wilke
Tolle Skizzen, verständliche Erklärungen; Danke !