Zwei Wochen Unwetter und Tornados in Deutschland
Am 27. Mai fing alles an, als ein Tief vor Portugal feuchte und damit schwülwarme Luft in die Südhälfte Deutschlands lenkte. Der Schwerpunkt des Tiefs verlagerte sich kurz darauf nach Mitteleuropa und die großräumigen Strömungen schliefen mehr oder weniger ein. Damit konnte auch die feuchtwarme Gewitterluft nicht mehr entweichen, sie breitete sich auf weite Landesteile aus und blieb hier einfach liegen. Aber warum hielt diese Wetterlage so lange an? Und wie viele Tornados gab es in dieser Zeit und warum?
Nachdem sich das Tief von Westeuropa bei uns festgesetzt hatte, war der Nachschub vom Atlantik abgeschnitten. Ein kräftiges Hoch baute sich südlich von Island auf und blockierte die Westwindzirkulation, mit der sonst die Tiefs über den Atlantik bis zu uns ziehen. Damit blieben die einmal herangeführten feuchtwarmen Luftmassen einfach bei uns liegen. Erst am 08./09. Juni wurde die feuchte Luft mit einer Kaltfront eines Skandinavientiefs ausgeräumt. Über der bodennahen, feuchtwarmen Luft lag in höheren Schichten der Troposphäre die ganze Zeit über deutlich kältere Luft und damit bauten sich große Temperaturgegensätze zwischen unten und oben auf – beste Voraussetzungen für die Bildung von heftigen Gewittern.
Nicht nur am Boden, sondern auch in größeren Höhen setzte sich ein Tiefdruckgebiet mitten über Mitteleuropa fest. Im Zentrum eines solchen riesigen Tiefs herrschen keine nennenswerten Luftdruckgegensätze, damit kaum bis gar kein Wind und auch keine Höhenströmung, mit der Schauer und Gewitter über das Land ziehen.
Die Folge war, dass an den meisten Tagen die Schauer und Gewitter sich direkt dort abregneten, wo sie entstanden waren. Lokal eng begrenzt fielen extreme Regen- und Hagelmengen, die zu Überflutungen und Sturzfluten führten, die ganze Täler verwüsteten. Dadurch kamen einige Menschen ums Leben und es gab enorme Schäden. Sturmschäden gab es nur ganz sporadisch. Diese treten bei Gewittern vor allem dann auf, wenn sie schneller über das Land ziehen.
https://www.youtube.com/watch?v=HQ_0nTMDzVc
Das Video wurde von Helfern bei der Sturzflutkatastrophe in Simbach im Landkreis Rottal am Inn erstellt.
Neben Sturzfluten, Starkregen und Hagel häufte sich noch ein anderes Phänomen während der Dauerunwetterlage: Es gab zahlreiche Tornados und noch wesentlich mehr Trichterwolken wurden beobachtet. Nach einer vorläufigen Bilanz gab es in der Zeit vom 27. Mai bis zum 08. Juni mindestens 13 bestätigte Tornados, dazu mehr als 60 Verdachtsfälle mit zum Teil deutlich ausgeprägten Trichterwolken – dem durch Kondensation sichtbaren Teil eines Wirbels. Dazu kommen noch viele weitere Fälle, die noch gar nicht gesichtet werden konnten. Dass gerade bei solchen windschwachen Wetterlagen zahlreiche, in den meisten Fällen aber schwächere Tornados entstehen können, ist bekannt, mehr dazu im Wetterkanal: Tornados auch bei Schauerlagen möglich Sehr starke Tornados sind dagegen an so genannte Superzellen gebunden, das sind langlebige und rotierende Gewitter, die bei starkem Höhenwind und damit großen Windunterschieden zwischen unten und oben auftreten.
Solche Häufungen an Tornados sind sogar gar nicht so selten. Es gab schon öfter Tage mit mehreren Tornados in Deutschland. Am 20. Mai 2006 wurden beim Durchzug einer mehrere Hundert Kilometer breiten Gewitterfront mindestens 13 Tornados innerhalb weniger Stunden festgestellt, dazu kamen Dutzende Verdachtsfälle. Dass jetzt so viele Trichterwolken gemeldet wurden, liegt auch an der extremen Verbreitung von Handykameras, die Deutschland inzwischen fast komplett abdecken. Bei ähnlichen Wetterlagen wurden vor einigen Jahren nicht so viele Tornados und Trichterwolken gemeldet.
Kann eine solche Wetterlage mit einem Tief mitten über Deutschland wieder auftreten? Ja, dies ist jederzeit wieder möglich. Ob sich solche Wetterlagen im Rahmen des Klimawandels häufen, kann man derzeit noch nicht sagen.
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