Tropensturm vor Frankreich?
Am vergangenen Donnerstag (15. September 2016) entstand über der Biskaya vor Westfrankreich ein kleines Tief, das sehr an einen Tropischen Sturm erinnerte. Tatsächlich nahm das Tief Eigenschaften eines tropischen Wirbelsturms an und war ein so genannter Subtropischer Sturm oder sogar ein echter Tropensturm, wie man ihn sonst eher aus den tropischen Gewässern kennt. Der Sturm traf auf die Küste Nordspaniens und brachte hier Böen bis Orkanstärke.
Während die meisten tropischen Wirbelstürme im Bereich tropischer Wellenstörungen entstehen, gibt es auch Stürme und Hurrikane, die auf ehemalige außertropische Tiefs zurückzuführen sind. Um einen solchen Fall geht es hier. Die Entstehung des Sturms im Bereich der Biskaya ist auf höhenkalte Luft zurückzuführen, die am 13./14. September über Westeuropa hinweggeführt wurde. Die Karte zeigt die Temperaturen in rund 5,5 Kilometer Höhe. Über Südwesteuropa liegt ein Bereich mit Temperaturen unter -20 Grad, der bis auf das Seegebiet der Biskaya vor Westfrankreich hinaus reicht.
Schaut man sich die Wassertemperaturen am 15. September an, so lagen diese im Bereich der Biskaya meist um 20 Grad, in Küstennähe waren es auch um 22 Grad. Damit ergab sich eine Temperaturdifferenz zwischen dem Wasser und der Luft in rund 5,5 km Höhe von fast 40 Grad. Die Luftschichtung war damit sehr labil mit günstigen Voraussetzungen für die Entstehung von Schauern und Gewittern.
Die Analyse der Wetterlage (Kartenquelle: Deutscher Wetterdienst / FU Berlin) für die Nacht zum 15. September zeigt das kräftige Tief „Stephanie“ über der Biskaya. In seinem Bereich entstanden die Schauer und Gewitter, die sich zu einem kleinräumigen Tiefdruckwirbel formierten. Damit daraus auch ein Tropensturm entsteht, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Die stärksten Wettererscheinungen müssen in unmittelbarer Zentrumsnähe auftreten, bestenfalls in einem Ring um das so genannte Auge. Bei einem außertropischen Tief ist der stärkste Wind weit entfernt vom Tiefzentrum zu finden. Es besitzt Wetterfronten (Warm- und Kaltfront oder Okklusion), die verschieden temperierte Luftmassen voneinander trennen, während ein tropischer Wirbelsturm innerhalb einer Luftmasse auftritt und frontenlos ist. Die Karte von 2 Uhr morgens zeigt noch eine Okklusion (Zusammenschluss von Warm- und Kaltfront), von der sich das kleine Tiefdruckzentrum aber immer mehr abkoppelte. Ein wesentlicher Unterschied zwischen außertropischen Tiefs und tropischen Wirbelstürmen besteht noch darin, ob das Tief einen kalten oder warmen Kern aufweist.
Die Modellkarte vom Nachmittag des 15. September zeigt über der Biskaya in hellblauer Farbe einen kleinen Bereich mit höheren Temperaturen als in der Umgebung. Das Tief hatte sich von einem ehemals außertropischen Tief mit kaltem Kern in ein Tief mit warmem Kern umgewandelt.
Der Satellitenfilm im sichtbaren Bereich zeigt deutlich das ausgeprägte Auge des Sturms, wie man es von tropischen Hurrikanen kennt. Auch im eingefärbten Infrarotbild ist es schwach zu erkennen, es zeigt aber auch, dass die Wolken nicht allzu hoch reichten. Dargestellt sind die Temperaturen an den Oberflächen der Wolken: Je kälter, desto hoch reichender sind die Wolken. Typischerweise sind Tropenstürme, die aus ehemaligen außertropischen Tiefs hervorgehen, nicht so hoch reichend wie innerhalb der Tropen entstandene Hurrikane. Sie neigen außerdem schneller zur Ausbildung eines Auges, in den Tropen selbst eigentlich ein deutliches Zeichen für einen starken Hurrikan.
Das eindrucksvolle Satellitenbild aus dem Aqua-Projekt der NASA zeigt das große Auge des Sturms nördlich der spanischen Biskayaküste.
Das Foto nahm der Kollege Andreas Neuen aus dem Flugzeug aus. Es entstand innerhalb des fast wolkenfreien Auges. Im Hintergrund ist die Augenwand („eyewall“) zu erkennen, die das gesamte Auge umschließt und in der die stärksten Wettererscheinungen auftraten. Das Flugzeug überflog den Sturm zwar weitgehend, wurde aber kräftig durchgeschüttelt.
Der Sturm bewegte sich über der Biskaya in Richtung Südosten und die Augenwand (eyewall) erfasste in den späten Abendstunden die Küste im spanischen Baskenland. Hier traten örtlich Böen bis Orkanstärke auf. Die Wetterstation in Machichaco/Faro meldete eine Spitzenböe von 133 km/h. Über größere Schäden auf dem Festland ist nichts bekannt. Im Bereich der Küste schwächte sich der Sturm rasch wieder ab.
Was war es nun, ein zufälliges Gebilde, das aussah wie ein Hurrikan? Ein Tropischer Sturm? Ein Subtropischer Sturm, also ein Hybridsystem mit teils tropischen, teils außertropischen Eigenschaften. Nachgewiesen werden konnte hier, dass sich ein ehemals außertropisches System innerhalb weniger Stunden nahezu komplett in ein tropisches umwandelte. Man kann also mindestens von einem gemischten System und damit einem so genannten Subtropischen Sturm ausgehen. Es ist sogar naheliegend von einem Tropischen Sturm zu sprechen, da alle Bedingungen dafür erfüllt waren.
Ähnliche Fälle sind aus dem Bereich der Biskaya derzeit nicht bekannt, aber es gab schon Stürme und Hurrikane bei den Azoren und nahe der portugiesischen Insel Madeira sowie im Mittelmeerraum. Dort kommen sie sogar in fast jedem Jahr vor und werden auch schon näher erforscht. Man hat den Fachbegriff „Medicane“ erschaffen, der sich aus dem Worten „mediterran“ (Mittelmeer) und „Hurricane“ zusammensetzt. Im Extremfall können diese Medicanes nicht nur den Schiffsverkehr gefährden, sondern auch Schäden an Land anrichten. Ein Zusammenhang mit der Klimaerwärmung ist nicht herstellbar, da man ein einzelnes Ereignis nicht zwingend darauf zurückführen kann. Umgekehrt wären in Zukunft bei steigenden Wassertemperaturen solche Phänomene durchaus eher möglich als zuvor.
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SgH Sävert,
den Sturm haben Sie ja tiefgründig mit hoher methodische Sachkunde analysiert.
Bei solchen Wetterphänomenen, die doch neuartig sind (?), würde ich es für wichtig halten, von Ihnen auch dazu eine Erläuterung zu erhalten, ob es hier einen Zusammenhang mit dem laufenden Klimawandel gibt.
MfG
Peter Volkmer
p.s. Frage: kann man in diesem Textkasten die Sprache Englisch auf Deutsch umstellen ?
Hallo, diese Ereignisse haben leider kein kleines Zettelchen dran, ob es durch einen Klimawandel begünstigt wurde oder nicht, deswegen lässt sich dazu nichts sagen. Die Sprache müssten Sie bei Ihnen einstellen, wir können da nichts beeinflussen. Gruss jk
Bisher gilt für die Medicanes und Klimawandel die gleiche Tendenz wie bei Hurricanes: Abnahme der Häufigkeit aber leichte Zunahme der Intensität. Wie realistisch Modelle bezüglich der Simulation relevanter Prozesse sind, ist natürlich weiter zu erforschen. Eine interessante Veröffentlichung dazu unter Verwendung des deutschen Regionalmmodells COSMO-CLM findet sich hier:
Cavicchia, L., H. von Storch, and S. Gualdi, 2014: Mediterranean tropical-like cyclones in present and future climate. J. Climate, 27, 7493-7501; doi: http://dx.doi.org/10.1175/JCLI-D-14-00339.1