Warum es keine Eisheiligen gibt – Rückblick seit 1950
Jedes Jahr im Mai sind sie in aller Munde: Die Eisheiligen! Pünktlich Mitte Mai soll es eine deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit geben, dass es nochmal richtig kalt wird mit Frösten, die Pflanzen Schaden zufügen. Dabei handelt es sich um eine uralte Bauernregel aus der Zeit des Julianischen Kalenders, ein Vorläufer des heute gebräuchlichen Gregorianischen Kalenders.
Damit wären wir auch direkt beim ersten Punkt: Die Eisheiligen sollen vom 11. bis 15. Mai sein, allerdings nicht nach der Kalenderreform des Papstes Gregor XIII. aus dem Jahre 1582. Damals wurde die Zeitrechnung nämlich 11 Tage vorgestellt. Der bis dahin gültige Julianische Kalender war nicht genau genug und wich inzwischen um 10 Tage von der tatsächlichen Zeitrechnung ab. Seitdem leben wir mit dem Gregorianischen Kalender. Demnach ist zum Beispiel die „Kalte Sophie“ erst am 26. Mai!
So können wir eigentlich den Beitrag schon beenden, da die Eisheiligen von ihrem Ursprung her heutzutage gar nicht mehr vom 11. Mai bis 15. Mai sind, sondern vom 22. Mai bis 26. Mai sein müssten. Aber da alle Jahre wieder zahlreiche Medien und auch Wetterberichte im TV auf die angeblichen Eisheiligen beharren, wollen wir uns die Tage vom 11. Mai bis 15. Mai trotzdem genauer ansehen.
Es sind jedes Jahr die gleichen Schlagzeilen, die Eisheiligen sind einfach eine Geschichte, die immer gebracht wird. „Ach, es sind ja bald die Eisheiligen, da machen wir was zu!“.
Entweder gibt es
- verfrühte Eisheilige!
- Eisheilige!
- verspätete Eisheilige!
- Eisheilige fallen aus!
- (Heißheilige!)
Was wir in den folgenden Zeilen noch sehen werden ist folgendes: Der Mai ist ein Übergangsmonat vom Frühling allmählich in den Sommer. Der Sonnenstand nimmt von Monatsanfang bis Monatsende deutlich zu, die Nordhemisphäre wird immer wärmer, aber im hohen Norden lauert auch immer noch spätwinterlich kalte Polarluft. Passt nun die Wetterlage, die Anordnung von Hochs und Tiefs, dann kann es Vorstöße von polarer Kaltluft geben, so wie wir es auch Anfang Mai 2019 erlebt haben (Achtung: „Verfrühte Eisheilige!!!“).
Es ist zusammengefasst also aus meteorologischer Sicht ganz normal, dass es im Mai noch Kaltluftvorstöße aus dem hohen Norden geben kann. Und welch Überraschung: Sie sind am Monatsanfang wahrscheinlicher als zum Monatsende. Die sogenannten Eisheiligen liegen genau dazwischen oder nach dem heutigen Gregorianischen Kalender sogar erst im letzten Drittel des Monats! Warum sollte es also genau dann besonders kalt werden oder eine deutlich erhöhte Wahrscheinlichkeit für Kälte geben? Ich weiß es nicht, es ist schlichtweg Blödsinn.
Update 2021 – relative Häufigkeit Bodenfrosttage seit 1981
Die folgende Auswertung zeigt die relative Häufigkeit (%) für Bodenfrost an fünf verschiedenen Wetterstationen für den Zeitraum 1981 bis 2020. Sowohl kältere als auch wärmere Orte sind dabei. Schaut man sich den gesamten Monat Mai an, gibt es logischerweise in der ersten Dekade noch häufiger Bodenfrost, in der letzten und dritten Dekade immer seltener. In Potsdam und besonders in Köln ist die Wahrscheinlichkeit für Bodenfrost sowieso im Mai insgesamt nur gering. Wenn man also im Mai von irgendwelchen Eisheiligen sprechen will, dann sollten diese eher am Monatsanfang liegen.
Wir fangen mal an. Ich habe unten die Tageshöchstwerte (rot) und Tagestiefstwerte (blau) für den 11. Mai (Mamertus) für Köln-Stammheim herausgesucht. Noch nie seit 1950 gab es direkt in Köln Luftfrost an einem 11. Mai, oft war es (siehe Höchstwerte rot) frühlingshaft oder sommerlich warm. Jedenfalls öfter als bitterkalt. Gut, ich muss zugeben, das war jetzt kein toller Beweis, da Köln-Stammheim eine der wärmsten Stationen in Deutschland ist.
Luft- und Bodenfrost an den Eisheiligen seit 1950 – flächigere Ereignisse
Zunächst will ich kurz erläutern was Luftfrost und Bodenfrost genau bedeuten. In der Meteorologie werden Temperaturen sowohl in 2 Meter Höhe über dem Erdboden und in 5 Zentimeter Höhe über dem Erdboden gemessen. Die Temperatur in 2 Meter ist allgemein bekannt, das sind auch die Temperaturen, die Sie in jeder Wettervorhersage täglich lesen, hören oder sehen. In 5 Zentimeter über dem Erdboden sind die gemessenen Temperaturen in erster Linie relevant, wenn es zu Bodenfrost kommt, also vom Herbst über den Winter bis ins Frühjahr.
Am Boden, also gemessen in 5 Zentimeter Höhe, wird es in der Regel nachts immer kälter sein als in 2 Meter Höhe. Die schwere Kaltluft sammelt sich nämlich am Boden. In klaren, wolkenlosen Nächten mit schwachem Wind oder windstille sind die Bedingungen auch im späten Frühling noch hin und wieder ideal für Bodenfrost, sollte zuvor polare Kaltluft eingeflossen sein.
Im Folgenden habe ich aus unserem großen Archiv für die Eisheiligen einige Jahre herausgesucht, an denen es in Deutschland, zumindest in einigen Regionen Luft- oder Bodenfrost gab. Ich gebe zu, dass diese Methode jetzt keine hochwissenschaftliche Auswertung ist, da ich nach meinem ersten Blick auf die Karte gehandelt habe, ob ich das Jahr aufliste oder nicht. Flächig tritt Luftfrost und auch Bodenfrost so gut wie nie an den „Eisheiligen“ auf. Es sind immer nur Regionen/Gebiete betroffen, mal größer, mal kleiner. Was aber auffällt: Es fällt schwer viele Jahre jeweils zu finden, in denen es markante Frostereignisse gab! Vom 11. Mai bis zum 15. Mai gab es in der ganz großen Mehrheit der Jahre keinen Luft- oder Bodenfrost!
Sie können für Ihre Region selbst in unserem Archiv die Jahre durchsehen. Ich verlinke direkt den 11. Mai 1950, die Jahre dann über das Menü vorgehen oder ein anderes Datum (12. Mai etc.) ebenfalls über das Menü oder das Kalendersymbol wählen:
Luftfrost (2 Meter)
11. Mai – Mamertus
12. Mai Pankratius
13. Mai – Servatius
- Kein Ereignis
14. Mai – Bonifatius
- 2012 (mit gutem Willen…)
15. Mai – Sophia
Markanter Luftfrost am 12. Mai 1953 besonders im Süden und Westen/Mitte.
Markanter Luftfrost am 11. Mai 1978 besonders im Osten.
Bodenfrost (5 Zentimeter)
11. Mai – Mamertus
12. Mai Pankratius
13. Mai – Servatius
14. Mai – Bonifatius
15. Mai – Sophia
Auswertung Bodenfrost an zwei Beispielen
Wir haben also oben gesehen, dass es eher selten Bodenfrost zu den Eisheiligen gibt und erst recht Luftfrost! Viel öfter ist es frostfrei oder sogar mild. Da es Bodenfrost häufiger gibt, wollen wir uns also auf diesen genauer konzentrieren und uns am Beispiel von zwei Wetterstationen die Eisheiligen seit 1950 genauer ansehen. Im Gegensatz zum Einstieg in diesen Beitrag wähle ich jetzt nicht Köln-Stammheim, Mannheim oder Freiburg-Mitte, sondern Wetterstationen, die deutlich „kälteanfälliger“ sind: Soltau in Niedersachsen und Oberstdorf (Bayern). Insbesondere Oberstdorf sollte doch für die Eisheiligen eine deutliche Häufung von Bodenfrost aufweisen, wenn auch nur ein Funke an der uralten Bauernregel dran sein sollte. Wir werden sehen.
Es wird keine Überraschung sein, wenn ich schon als ein Beispiel Oberstdorf nehme, dass es bei Ihnen vor Ort nicht viel anders aussieht, was die Häufigkeit von Bodenfrost zu den Eisheiligen angeht. Sie können für Ihre Region selbst in unserem Archiv die Jahre durchsehen. Ich verlinke direkt den 11. Mai 1950, die Jahre dann über das Menü vorgehen oder ein anderes Datum (12. Mai etc.) ebenfalls über das Menü oder Kalendersymbol wählen:
Beispiel Wetterstation Soltau (Niedersachsen)
Beginnen wir mit Soltau im Heidekreis (Niedersachsen). Die Stadt liegt zentral in der Lüneburger Heide und in klaren Nächten kühlt es dort recht schnell ab, Bodenfrost gibt es in der Wintersaison häufig. Unten sind jeweils die Auswertungen der gemessenen Tagestiefsttemperatur in 5 cm Höhe über dem Erdboden (Bodenfrost). Ich habe, um den oben schon beschriebenen, ganz natürlichen Verlauf des Monats Mai darzustellen, jeweils den 1. Mai, die Tage der Eisheiligen und den 31. Mai ausgewertet. Die einzelnen Grafiken können Sie sich weiter unten ansehen und große Überraschung: Bodenfrost ist selten an den Eisheiligen, geschweige denn Luftfrost! Denn gibt es Luftfrost (gemessen in 2 Meter Höhe), dann gibt es auch Bodenfrost.
Im Folgenden noch die Zusammenfassung, welche sehr schön den Verlauf des Monats zeigt. Am 1. Mai ist die Wahrscheinlichkeit für Bodenfrost noch deutlich erhöht, ich hatte eingangs schon beschrieben warum. Zu den Eisheiligen geht die Bodenfrostgefahr im Mittel schon deutlich zurück und wird am Monatsende noch geringer. Allerdings Fun Fact: Es gab in Soltau am 31. Mai bisher öfter Bodenfrost (4 Tage) als am Bonifatius (2 Tage).
1. Mai 16x Bodenfrost
11. Mai Mamertus 8x Bodenfrost
12. Mai Pankratius 6x Bodenfrost
13. Mai Servatius 4x Bodenfrost
14. Mai Bonifatius 2x Bodenfrost
15. Mai Sophia 6x Bodenfrost
31. Mai 4x Bodenfrost
Soltau – die Tage im Einzelnen
Beispiel Wetterstation Oberstdorf (Bayern)
Oberstdorf liegt im Oberstdorfer Becken, wo es in klaren Nächten schnell abkühlt und Bodenfrost auch im Mai noch häufiger vorkommt. Also ein idealer Ort, um uns die Eisheiligen hier genauer anzusehen. Auch hier gab es an der großen Mehrheit der Tage vom 11. Mai bis zum 15 Mai keinen Boden- oder gar Luftfrost! Es zeigt sich auch hier der klassische Verlauf im Mai: Zu Monatsbeginn ist Boden(frost) viel wahrscheinlicher als zu den Eisheiligen oder erst recht zum Monatsende. Keine Überraschung!
1. Mai 25x Bodenfrost
11. Mai Mamertus 13x Bodenfrost
12. Mai Pankratius 16x Bodenfrost
13. Mai Servatius 15x Bodenfrost
14. Mai Bonifatius 10x Bodenfrost
15. Mai Sophia 14x Bodenfrost
31. Mai 4x Bodenfrost
Oberstdorf – die Tage im Einzelnen
Fazit: Wir halten also fest:
- Es gibt keine Häufung von kalten Wetterlagen mit Luft- oder Bodenfrost zu den Eisheiligen
- Die Eisheiligen sind eigentlich wegen der Kalenderreform heute 10 Tage später. Dort ist die Wahrscheinlichkeit noch viel geringer als 10 Tage zuvor
- Der Monat Mai zeigt einen ganz klassischen Verlauf, wie auch der April oder März: Fröste werden mit fortschreitender Jahreszeit immer unwahrscheinlicher.
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