Vor 10 Jahren: Schneechaos im Münsterland
Im November 2005 stellte sich eine für die Jahreszeit ungewöhnliche Wetterlage ein. Von Südnorwegen her zog ein Sturmtief nach Benelux und in den Westen Deutschlands. Es war angefüllt mit hoch reichend kalter Luft und brachte teils heftige Schneefälle, die vor allem das Münsterland und das Bergische Land sowie Teile des Ruhrgebietes in ein Schneechaos stürzten. Im Münsterland waren viele Orte tagelang von der Stromversorgung abgeschnitten, zeitweise waren mehr als 250.000 Menschen davon betroffen. Es war der schlimmste Stromausfall, der in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg verzeichnet wurde. Und auch der Straßen- und Schienenverkehr brach in einigen Regionen komplett zusammen.
Wetterlage
Etwa ab dem 20. November 2005 blockierte eine kräftige Hochdruckzone im Bereich Nordatlantik – Island die Westwinddrift, mit der sonst atlantische Tiefs bis nach Europa ziehen können. Am 24.11. entstand bei Südnorwegen das Tief „Thorsten“, das unter Verstärkung in Richtung Süden zog. Es überquerte am 25.11. die Nordsee und setzte sich ab den Abendstunden des 25. über den Beneluxstaaten fest. Dabei sank der Luftdruck im Zentrum des Tiefs zeitweise unter 975 Hektopascal ab. Das Satellitenbild zeigt das Tief am 25.11. an der Nordseeküste und dichte Wolken über NRW (Quelle: DLR). Da in höheren Luftschichten der Troposphäre kaum Wind wehte, verlagerte sich das Bodentief in den Folgetagen kaum noch und es schwächte sich nur langsam ab. Sturm und Niederschläge hielten damit in einigen Regionen über längere Zeit an.
Die Ausläufer des Sturmtiefs legten sich genau über den Westen und Nordwesten Deutschlands und verblieben hier tagelang nahezu stationär. Damit verbunden waren länger anhaltende Niederschläge, die bei Temperaturen um oder nur knapp über den Gefrierpunkt vor allem im Münsterland und im Bergischen Land als nasser, schwerer Schnee fielen. Das Sturmfeld des Tiefs erfasste Benelux und die Nordwesthälfte Deutschlands. Hier wurden verbreitet Sturmböen aus Süd bis Südwest registriert, vereinzelt auch schwere Sturmböen. Im Münsterland waren es wegen der Nähe zum Tiefzentrum noch stürmische Böen der Stärke 8.
Meteorologische Daten
Während in tiefen Lagen des Rheinlandes überwiegend Regen, Schneeregen oder nasser Schnee bei Temperaturen über dem Gefrierpunkt fiel und kaum Verkehrsbehinderungen auftraten, kam der anhaltende Niederschlag bereits am Donnerstag, den 24.11. im Bergischen Land, im Sauer- und Siegerland meist als Schnee herunter. Breckerfeld bei Hagen meldete bis zum Freitagmorgen (25.11.) bereits 32 Zentimeter Neuschnee, in Velbert am Nordrand des Bergischen Landes waren es 24 Zentimeter, die innerhalb von nur 15 Stunden zusammenkamen (Foto: Thomas Sävert). Böiger Süd- bis Südwestwind türmte Schneeverwehungen auf, die den Straßenverkehr erheblich behinderten. Bis zum Morgen des 27.11. (Sonntag) wuchs die Schneedecke vor allem im Bergischen Land weiter an. In Velbert wurden am Sonntagmorgen 44 Zentimeter gemessen – die höchste Schneedecke in einem November seit einigen Jahrzehnten. In Breckerfeld waren es zu dieser Zeit sogar 56 Zentimeter. Die Autobahnen A4 und A45 im Bergischen Land und im Sauerland waren stundenlang unpassierbar, tausende Menschen saßen mit ihren Autos fest. Auch große Teile des Ruhrgebietes waren betroffen, vor allem in den höher gelegenen Stadtteilen von Essen und Bochum brach der Verkehr bei bis zu 30 Zentimeter Schnee teilweise zusammen.
Wesentlich schlimmer traf es das Münsterland. Die Temperaturen verharrten in tiefen Lagen im Nordwesten und Westen Deutschlands mit 1 bis 3 Grad meist knapp über dem Gefrierpunkt. Wo allerdings im Bereich der stationären Tiefausläufer anhaltender und besonders starker Niederschlag fiel, wurde aus größeren Höhen Kaltluft heruntergemischt und bei Werten um 0 Grad oder nur wenige Zehntel darüber fiel nasser Schnee. Dies betraf ab dem 25.11. einen Streifen vom Niederrhein bis zum Münsterland, besonders die Landkreise Borken und Steinfurt, wo Katastrophenalarm ausgelöst wurde. Mehrere Wetterstationen meldeten hier Gesamtschneehöhen um 30 Zentimeter, lokal eng begrenzt wurden auch mehr als 40 Zentimeter gemeldet.
Schneehöhen am Morgen des 28.11.2005, 07 Uhr MEZ
Auswirkungen
Der nasse Schnee setzt sich besonders im Nordteil des Kreises Borken und im Landkreis Steinfurt an den Überlandleitungen ab, die somit eine extreme Last tragen mussten. Bei dem starken Wind traten so genannte Leiterseilschwingungen auf, die die Stromleitungen meterweit hin und her schwingen ließen. Die Leitungen und auch die Strommasten waren einer enormen Belastung ausgesetzt. Mehr als 80 Masten brachen schließlich (Fotos: Klaus Bingel und Sven Lüke). Die Folge war ein flächendeckender Stromausfall, von dem zeitweise mehr als 250.000 Menschen betroffen waren. Bundeswehr und THW konnten nur für besonders wichtige Gebäude und Notunterkünfte eine Notstromversorgung installieren. Landwirtschaftliche Betriebe ohne Notstromversorgung waren lahmgelegt, Kühe konnten nicht mehr gemolken werden und in Geflügelbetrieben starben Zehntausende Tiere. Erst am 30. November konnte die weitgehende Wiederherstellung der Stromversorgung gemeldet werden. Herabhängende Stromleitungen blockierten zeitweise die Autobahn A31. Viele Autofahrer saßen hier stundenlang in der Kälte fest, bevor die folgenreiche Entscheidung getroffen wurde, die Leitungen zu kappen. Im Münsterland mussten die Autobahnen A1, A30 und A31 für den gesamten Verkehr gesperrt werden.
Der wirtschaftliche Schaden allein durch den Stromausfall belief sich auf rund 100 Millionen Euro. Viele Betriebe mussten ihre Produktion einstellen. Unter den etwa 20 betroffenen Gemeinden war auch die Stadt Ochtrup mit etwa 19.000 Einwohnern, die komplett im Dunkeln lag. Nach dem Unwetter folgte eine lange Diskussion, ob nur die extreme Wetterlage oder auch Materialfehler für die schlimmen Auswirkungen durch Mastbrüche und Stromausfälle verantwortlich waren. Dass zahlreiche Strommasten abknicken, war für die Region sicherlich ein Jahrhundertereignis, deutschlandweit dagegen nicht. Größere Ereignisse gab es schon mehrfach, zuletzt am 12./13. April 1994 im bayerischen Alpenvorland und in Schwaben, wo 127 Masten umstürzten, also mehr als doppelt so viele wie 2005 im Münsterland.
Fazit und Einordnung
Mindestens drei Menschen kamen in dem Schneechaos im Münsterland ums Leben. Der Gesamtschaden liegt im dreistelligen Millionenbereich. Es war der größte nicht kriegsbedingte Stromausfall in der deutschen Geschichte. Die Wetterlage, die den Schneesturm auslöste, war extrem ungewöhnlich, vor allem zu dieser Jahreszeit.
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