Jonas in den USA – stärkster Schneesturm/Blizzard seit Jahren
Schneesturm Jonas in den USA ist vorbei. Das Tief brachte in einem durchaus langen Streifen von den südlichen Apalachen (sogar Atlanta in Georgia hat ein bisschen Schnee abbekommen) bis hoch in den Nordosten Schnee und Eis. Wie erwartet hat es den meisten Schnee in den sogenannten Mid-Atlantic-States gegeben: von Virginia über Washington D.C., New York City bis nach Massachusetts. An die 33 Stunden hat es dort von Freitagnachmittag bis Sonntagnacht quasi durchgeschneit, es gab nur kurze Pausen zwischendurch. Im Durchschnitt fiel verbreitet ein halber Meter Schnee, in Virginia sogar bis zu rund 1 Meter. Aber nicht nur Schnee war ein Thema. Stürmischer Wind an der Küste ließ manche Dämme brechen und sorgte für Überflutungen. Obwohl sich aufgrund der vorherigen Warnungen der amerikanischen Wetterdienste der Straßenverkehr weitestgehend in Grenzen hielt, gab es zahlreiche Unfälle, in hunderttausenden Haushalten fiel der Strom aus und leider sind auch 14 Menschen während des Schneesturms ums Leben gekommen.
Woher kam das Tief?
Schneetief Jonas zog von den südlichen Bundesstaaten vor die Küste im Nordosten und bewegte sich dort nur noch langsam von der Stelle. Dadurch wurden Washington und Co. immer wieder und nahezu ununterbrochen von den Schneefällen durch Jonas getroffen. Sehr schön erkennt man dies an der folgenden Animation. Sie zeigt die Zugrichtung von Jonas von Freitagmorgen bis Samstagabend (amerikanischer Ostküstenzeit):
Ebenso aufschlussreich und beeindruckend ist die Radaranimation:
Auf der Vorderseite des Tiefs wurde sehr feuchte und milde Atlantikluft aus den tropischen Gefilden nach Norden verfrachtet. Auf der Rückseite des Tiefs wurde dagegen kalte Arktisluft angezapft und von Kanada aus bis weit in den Süden der USA geführt. Die feuchte Meeresluft fiel in die Frostluft über Land, kühlte sich ab und entlud ihre ganze Feuchtigkeit in Form kräftiger Schneefälle (kalte Luft kann weniger Feuchtigkeit aufnehmen als warme).
Während hier bei mir im Norden von South Carolina am Samstag alles wieder sehr schnell vorbei war (Wege und Straßen waren schon am Vormittag wieder schneefrei, sie waren einfach zu warm, keine lange Frostperiode zuvor), kam man weiter nördlich und eben besonders in D.C. aus dem Schneeschippen nicht mehr raus. Hier ein paar Eindrücke von #jonasblizzard, auch #snowzilla genannt von Twitter:
https://twitter.com/ManasquanOEM/status/691254733227581441
https://twitter.com/CaseyNeistat/status/691272769791791104
Die Schneebilanz
In Washington D.C. begann es am Freitagnachmittag zu schneien. Erst noch nur leicht, aber von Stunde zu Stunde wurde es kräftiger. Bis am Samstag schließlich auch noch Blizzard-Bedingungen erreicht wurden. Was das genau heißt und wieso Jonas, der gerade nahezu in allen Medien ausschließlich Blizzard genannt wird, nicht überall ein Blizzard war, habe ich hier in einem kleinen Video mit Schneebericht aus South Carolina erklärt. Natürlich liegt nicht überall gleich viel Schnee. Die Schneehöhen reichen von 30 bis 60cm, durch Schneeverwehungen liegt stellenweise deutlich mehr. Die offiziell höchste Schneemessung gab es im National Zoo mit 57 cm. Am Weißen Haus fielen 33cm.
New York City: Schneestürme und Blizzards sind hier im Winter keine Seltenheit. Trotzdem brachte Jonas im Central Park mit 68,1 cm Schnee die zweitgrößte Schneehöhe seit 1869. Es fehlte nur sehr wenig zum Schneerekord 68,3cm aus dem Jahr 2006. Am Flughafen LaGuardia Airport fielen 71 cm, am Flughafen John F.Kennedy 77,5 cm.
Auswahl weiterer Schneehöhen (Quelle: National Weather Service)
Glengary (West Virginia) 107 cm
Philomont (Virginia) 99 cm
Winchester (Virginia) 94 cm
Oakland (Maryland) 86 cm
Williamsburg (New York) 74 cm
Newark Flughafen (New Jersey) 71 cm
Monroe (Connecticut) 53 cm
Baltimore (Maryland) 41 cm
Block Island (Rhode Island) 33 cm
Nantucket (Massachusetts) 29 cm
Asheville (North Carolina) 20 cm
Providence (Rhode Island) 18 cm
Nashville (Tennessee) 18 cm
Chesnee (South Carolina) 18 cm
Dillard (Georgia) 19 cm
Greer (South Carolina) 8 cm
Oxford (Mississippi) 5 cm
Einer der stärksten Schneestürme der letzten Jahre
Für Baltimore war Jonas der stärkste Schneesturm seit Aufzeichnungsbeginn. Für Washington D.C. ist er auf Platz 4 gelandet.
Die Aufregung Tage vorher war durchaus groß. Sämtliche Wetterdienste wiesen schon am Montag wiederholt auf einen kräftigen Schneesturm hin. Anfangs war der zeitliche Ablauf und die genaue Zugbahn des Tiefs noch etwas unklar, so dass von Modelllauf zu Modelllauf die möglichen Schneehöhen für die Orte/Regionen noch hin und her sprangen. Eins war jedoch von Anfang an klar: es wird einen kräftigen Schneesturm geben. Es kommt nicht oft vor, dass sich alle Wettermodelle schon Tage vor dem eigentlichen Ereignis so einig sind.
Nein, der Schneesturm/Blizzard kommt nicht nach Deutschland!
Seit gestern hört man schon wieder oft, dass der „Blizzard“ nach Deutschland zieht. Das ist kurz gesagt Blödsinn! Es ist schlicht nicht möglich, dass dieses Schneetief in dieser Form nach Europa zieht und Deutschland genau so erwischt wie die USA. Der Weg über den Atlantik ist weit. Manche Tiefs überleben diesen Weg nicht und lösen sich auf. Andere schaffen den Weg und kommen durchaus auch noch als kräftiges Sturm- oder sogar Orkantief in Deutschland an. Das Meereswasser ist jedoch im Falle von Schneetiefs zu warm. Sie ziehen nicht mit lauter Schnee im Gepäck einmal über den Atlantik. Noch dazu müssten sie in Europa/Deutschland noch auf die entsprechende Luftmasse treffen, um Schnee erzeugen zu können (siehe weiter oben die Erklärung, wie es hier zum Schnee kam). Jonas zieht aktuell zunächst unter Abschwächung in Richtung südliches Grönland, danach kann sich das Tief voraussichtlich wieder verstärken und wird dann Mitte der Woche in Richtung Schottland und Norwegen ziehen. Die Fronten erreichen dann mit unbeständigem und mildem Wetter auch Deutschland. Noch ist jedoch alles etwas „chaotisch“ auf dem Atlantik. Morgen gibt es dazu mehr Informationen. Das Wettergeschehen kann man auf unseren Globus-Satellitenbildern verfolgen.
Persönliches Fazit zum Abschluss
Momentan hört man gerade aus Deutschland ein paar kritische Stimmen, ob denn diese Aufregung, insbesondere die Hamsterkäufe, in die viele Amerikaner vor einem großen Wetterereignis verfallen, nicht übertrieben waren. Meine Meinung als Meteorologin: Nein, ich fand die Aufregung vorher nicht übertrieben. Die amerikanischen Meteorologen haben in meinen Augen wirklich sehr gut und richtig gehandelt und gearbeitet. Sie haben frühzeitig und mehrfach darauf hingewiesen, was passieren kann und sämtliche Kanäle, die ich verfolgt habe, haben auch immer auf die Unsicherheiten verwiesen. Klar ist, 30 bis über 50cm und sogar 1 Meter Schnee ist nicht ohne. Erstrecht wenn noch stürmischer Wind und somit Blizzardbedingungen dazu kommen. So viel Schnee in relativ kurzer Zeit würde auch in Deutschland für Chaos sorgen. Im Rheinland und Ruhrgebiet meiner Heimat NRW und auch in anderen (Groß)städten Deutschlands reichen schon 2 cm Schnee für großes Chaos und 600 km Stau aus. Natürlich kann man über die Hamsterkäufe schmunzeln. Auch ich fand sie am Donnerstag hier in South Carolina etwas seltsam. Zumal für diese Region hier klar war, dass es maximal ein 1,5 Tage Event sein würde.
Weiter im Norden war die Möglichkeit, ggf. ein paar Tage eingeschneit und von Stromausfall betroffen zu sein, jedoch wesentlich größer. Und wieso nicht für den schlimmsten Fall der Fälle gerüstet sein? Ich lebe seit knapp über 1 Jahr in den USA. Wenn ich eine Sache relativ schnell gelernt habe, dann, dass hier „safety first“ deutlich mehr gelebt wird als in Deutschland, wo in der Regel eher die „mir passiert schon nichts“-Einstellung herrscht. Kleines Beispiel noch von Freitag aus meiner Stadt: es bestand Glatteis- und Schneewarnung. Es wurde zwar erst am Nachmittag langsam glatt auf den Straßen, aber schon morgens waren die Straßen nahezu komplett leergefegt. Kaum jemand war unterwegs. Viele Einrichtungen blieben den ganzen Tag geschlossen. Sogar am Samstag, als alles vorbei war, schlossen viele Geschäfte und Einrichtungen bereits um 17 Uhr, weil für den Abend die Möglichkeit bestand, dass es wieder glatt werden könnte. Obwohl nur noch an wenigen Ecken auf den Straßen Schmelzwasser vorhanden war… Klar, auch das kann man übertrieben finden (fand ich auch).
Trotzdem, um ehrlich zu sein: ich würde mir auch bei manch einem Unwetterereignis in Deutschland wünschen, dass viel mehr Menschen einfach zu Hause bleiben würden!
Jonas und Kate vom November sind möglicherweise von der selben Art. Beide haben anscheinend feuchte Luft aus dem Süden mitgebracht. Nur dass Jonas das Wasser als Schnee brachte.
Die Medien haben in den USA vollkommen korrekt gehandelt, angesichts dieser Dimensionen.
Auch bei uns in Mitteleuropa kann man solche Winterunwetter in Abständen von Jahrzehnten erwarten, wie es die Vorgänge von Ende 1978/Anfang 1979 und Mitte Februar 1979 verdeutlicht haben. Aber die Wetterlage war ja ganz anders und kann daher mit den Vorgängen in Amerika aus rein meteorologischen Fakten heraus nicht als Vergleich dienen.
Auch ich kann immer wieder mit dem Kopf schütteln, wenn manche Zeitgenossen behaupten:
„Das kommt in vier Wochen rüber zu uns!“ Das ist selbstverständlich Schwachfug!
Sehr informativer Beitrag zu diesem denkwürdigen Fall!
Beste Grüße an das Team!