El Niño 2015/2016: November-Update
Was bisher geschah:
Teil 1 (inkl. Erklärung der Entstehung und Auswirkungen)
Teil 2
Teil 3
Wie geht’s weiter?
Kurz zusammengefasst wird El Niño 2015/2016 in den nächsten Wochen sein Maximum erreichen. D.h. die viel zu warmen Wassertemperaturen, über die ein El Niño-Ereignis definiert wird, werden sich voraussichtlich ab Ende des Jahres wieder in Richtung Normalwerte bewegen. Laut der amerikanischen Wetterbehörde NOAA wird sich der Normalzustand zum Ende des Frühjahrs 2016 einstellen. In der östlichsten Beobachtungsregion Niño1+2 (vor der Küste Perus, siehe Bild) ging die Anomalie (also die Abweichung vom Normalwert) der Wasseroberflächentemperatur zuletzt schon leicht zurück. Dagegen hat sich die Anomalie der Wasseroberflächentemperatur im mittleren tropischen Pazifik (Niño3.4 und Niño4) im Oktober nochmal erhöht. Wie auch immer es weiter geht, El Niño 2015/2016 wird zu den stärksten El Niño-Ereignissen, die bisher beobachtet wurden, gehören.
In diesen Regionen wird die Wasseroberflächentemperatur gemittelt um ein El Niño-Ereignis zu charakterisieren (Quelle: NOAA).
Temperaturanomalie der Wasseroberflächentemperatur in den verschiedenen El Niño-Regionen (Quelle: NOAA)
Wie und vor allem wo hat das diesjährige El Niño das Wetter bisher beeinflusst?
Dazu möchte ich nochmals kurz betonen, dass tatsächlich jedes El Niño-Ereignis anders ist; ganz einfach weil so viele verschiedene Prozesse im Ozean und der Atmosphäre zusammenspielen. Verdeutlicht wird das zum Beispiel durch die untere Grafik, die Abweichung des winterlichen Niederschlags (Dezember – Februar) in den USA vom langjährigen Durchschnitt während der El Niño-Ereignisse seit 1950 zeigt (türkis = mehr Niederschlag, braun = weniger Niederschlag; 1 inch = 25,4 mm). Dabei wurde von starken zu schwachen El Niños sortiert. Man sieht also, dass es deutliche Variabilität zwischen den verschiedenen El Niños gibt. Allerdings sehen sich die Niederschlagsmuster während starker El Niños einander ähnlicher als das während der mittleren oder gar schwächeren Ereignisse der Fall ist. Grob gesagt, je stärker das El Niño-Ereignis, desto stärker seine Effekte auf die atmosphärische Zirkulation, desto deutlicher die Auswirkungen (besonders im näheren Umfeld).
Abweichung des Niederschlags von Dezember bis Februar vom langjährigen Mittel in den USA für El Niño-Ereignisse seit 1950 (braun = zu wenig Niederschlag, türkis = zu viel Niederschlag; Quelle: NOAA climate.gov)
Nun, El Niño 2015/2016 gehört zu den stärksten, die wir kennen und einige Auswirkungen haben sich bereits gezeigt. So sind in Indonesien durch die Trockenheit Waldbrände außer Kontrolle geraten. Auch im Osten und Norden Australiens ist es in den letzten 3 Monaten teilweise deutlich zu trocken gewesen (siehe Bild unten, rot = trockener als der Durschnitt, blau = nasser als der Durchschnitt, je dunkler die Farbe desto außergewöhnlicher). Daneben hat sich die Vorhersagen der Häufigkeit und Intensität atlantischer und pazifischer Hurrikans bewahrheitet. Im Pazifik begünstigen die hohen Wassertemperaturen und die geringere Windscherung (durch schwächelnde Passatwinde) die Entstehung von tropischen Stürmen und deren Weiterentwicklung zu schweren Hurrikans. Im Atlantik dagegen sorgt El Niño für erhöhte Windscherung und damit erschwerten Bedingungen für Hurrikans, weil diese sozusagen in der Höhe auseinandergepustet werden. Über dem Pazifik gab es diese Saison bisher 15 Hurrikans, davon 10 schwere Hurrikans der Kategorie 3 oder stärker. Definitiv überdurchschnittlich, denn in einer normalen Saison wären es aber nur 8 Hurrikans, darunter nur 3 schwere. Über dem Atlantik kommen wir dieses Jahr auf 4 Hurrikans (inkl. 2 schweren). Normal wären hier 6 Hurrikans (inkl. 2-3 schweren).
Abweichung des Niederschlags von August bis Oktober vom langjährigen Mittel in Australien (rot = zu wenig Niederschlag, blau = zu viel Niederschlag, dunkelrot/dunkelblau = Rekord; Quelle: BOM)
Darüber hinaus ist es interessant, sich mal die Abweichung des Niederschlags der letzten 3 Monate vom langjährigen Mittel auf der ganzen Welt anzusehen. Man erkennt die erhöhte Niederschlagsbildung über dem östlichen Pazifik und das starke Niederschlagsdefizit über ganz Südostasien. Auch die geringeren Niederschläge über dem Norden Südamerikas passen zu den allgemeinen Erwartungen an ein El Niño-Ereignis. Allerdings steht die Grafik in keiner Relation zum Normalwert des Niederschlags in dem Zeitraum. So bedeutet das vergleichsweise geringe absolute Niederschlagsdefizit in Südostaustralien schon starke Trockenheit. Im Inneren Australiens ist dagegen alles im normalen Bereich. Dort fällt in diesem Zeitraum normalerweise kaum Niederschlag, dieser kann also in absoluten Zahlen fast nicht weniger werden 😉
Abweichung des Niederschlags von August bis Oktober vom langjährigen Mittelwert weltweit (Quelle: IRI)
Wie außergewöhnlich die Niederschlagsanomalien in anderen Teilen der Welt schon sind, mag ich ohne umfangreichere Recherche nicht beurteilen. Und, ob diese überhaupt schon mit dem aktuellen El Niño-Ereignis zusammenhängen, kann man noch nicht sagen. Auch wenn das eigentliche El Niño 2015/2016 (also höhere Wasseroberflächentemperaturen im tropischen Pazifik und Zirkulationsänderung im nahen Umfeld) bald wieder abebbt, wird sich die Situation erst im Frühjahr 2016 wieder normalisieren, wodurch Effekte auf das Wettergeschehen noch eine Weile anhalten können. Des Weiteren wird zum Beispiel in den USA erst im Winter mit messbaren Effekten gerechnet (zu nass im Süden und Osten, zu trocken im Nordwesten). Dabei ist zu beachten, dass es sich nur um erhöhte Wahrscheinlichkeiten handelt. Wie es sich genau verhält, wird die Zukunft zeigen. Für genaue Prognosen ist die Variabilität einfach zu hoch (siehe Grafik weiter oben).
Neben Effekten in der Atmosphäre stellen die hohen Wassertemperaturen eine Gefahr für Korallenriffe dar. Korallen leben in Symbiose mit Algen, die durch Photosynthese Energie bereitstellen. Wenn das Wasser rund um die Korallen, geraten sie unter Stress und verlieren ihre Algen (weil diese ausziehen oder aus der WG rausgeworfen werden). Mit den Algen geht die Farbe. Zu sehen sind nun nur noch die weißen Kalkskelette der Korallen. Sollten die Algen zu lange fehlen, verhungert die Koralle quasi. Die NOAA rechnet für viele Gebiete im Indischen, Pazifischen und Atlantischen Ozean bis Mitte 2016 mit einer 60-prozentigen Wahrscheinlichkeit für eine Korallenbleiche. Im Pazifischen Ozean ist der Zusammenhang zu den stark erhöhten Wassertemperaturen in den oberen Meeresschichten im Zuge von El Niño 2015/2016 sehr deutlich zu erkennen.
Meeresgebiete, für die vor einer Korallenbleiche durch erhöhte Temperaturen (thermischer Stress) gewarnt wird (Quelle: NOAA)
Abweichung der Wasseroberflächentemperatur vom langjährigen Mittelwert weltweit am 12.11.2015 (Quelle: NOAA)
Interessant wäre, ob eine Korrelation zwischen den El Niño-Jahren und den Durchschnittswintertemperaturen besteht. Heuer ist nämlich bis jetzt ein sehr warmer Winter.