Die Schneestürme in Norddeutschland im Winter 1978/79
Für alle, die es damals selbst miterlebt haben, sind es zwei Ereignisse, die man nie vergisst. Die beiden Schneestürme Ende Dezember 1978 und Mitte Februar 1979 legten Teile Norddeutschlands lahm. Tausende Menschen blieben mit ihren Fahrzeugen oder in Zügen stecken, tragischerweise kamen auch einige ums Leben. Die Schneeverwehungen erreichten teilweise Höhen von mehr als 5 Metern. Ähnliche Wetterlagen gab es seitdem nicht mehr, möglich wäre eine Wiederholung sicherlich.
Schneesturm zum Jahreswechsel:
Bereits um den 20. Dezember 1978 bahnte sich die Wetterlage an, die nach Weihnachten die extreme Luftmassengrenze mit den heftigen Auswirkungen hervorrufen sollte. Im Raum Island – Grönland baute sich ein kräftige Hochdruckzone auf. Sie bewirkte, dass die Tiefs auf dem Atlantik auf recht südlicher Bahn in Richtung Europa zogen. Dabei schlugen sie zunächst eine Bahn zum südlichen Skandinavien ein und dann weiter zur Ostsee. An der Südseite der Tief strömte zunächst sehr milde Luft in weite Teile Deutschlands.
Im Westen und Südwesten wurden verbreitet zweistellige Temperaturwerte erreicht, am Oberrhein waren es sogar bis zu 13 Grad. Etwas kühler, wenn auch alles andere als winterlich, war es an der dänischen Grenze und im äußersten Nordosten mit rund 5 Grad, wie auch die Karte mit den Tageshöchsttemperaturen am 26.12.1978 zeigt.
Über die Weihnachtstage weitete sich der hohe Luftdruck von Grönland – Island langsam in Richtung Skandinavien aus. Gleichzeitig hielt die starke westliche Strömung auf dem Nordatlantik an, mit der Sturmtiefs über den Ozean in Richtung Europa zogen. Diese wurden ab dem 27./28. Dezember auf eine etwas südlichere Bahn gezwungen und zogen nun über den Norden Deutschlands hinweg nach Osten. Dadurch entstand eine Luftmassengrenze zwischen sehr milder Luft, die auf der Südseite der Tiefs vom Atlantik heranwehte, und sehr kalter Frostluft über Skandinavien. Der Wind wehte auf der Nordseite der Tiefs aus östlichen Richtungen, auf der Südseite aus Südwest. Im weiteren Verlauf verlagerte sich die Luftmassengrenze über Deutschland nur langsam in Richtung Süden.
Die feuchtwarme, subtropische Luft schob sich im Bereich der Luftmassengrenze über die Kaltluft. Die Folge waren lang anhaltende Niederschläge, die an der Nordseite der Luftmassengrenze meist als Schnee fielen. Dazu die 24stündigen Niederschlagsmengen vom 29.12.1978 und vom 30.12.1978. Dabei kamen vor allem im nördlichen Schleswig-Holstein größere Schneemengen zusammen. Teilweise fiel aus der warmen Schicht auch Regen in die Kaltluftschicht am Boden und gefror entweder zu Eiskörnern oder auf dem kalten Boden. Gebietsweise regnet es bei Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt. Am 30.12. meldete die Wetterstation in Görlitz (Sachsen) Eisregen bei einer Temperatur von -11 Grad, am Silvestertag wurde in Chemnitz sogar bei einer Temperatur von -15 Grad Eisregen gemeldet. Innerhalb weniger Hundert Höhenmeter stiegen die Temperaturen von zweisteligen Minusgraden auf Werte über Null an. Die Karte mit den Höchstwerten vom 31.12.1978 zeigt eindrucksvoll den Unterschied zwischen dem milden Bergland und zweistelligen Frostgraden in tiefen Lagen Sachsens.
Die Animation zeigt die jeweils tiefsten Temperaturen an den Tagen vom 27.12.1978 bis zum Neujahrstag 1979. Während die Tiefs zunächt noch recht weit nördlich durchzogen, setzten sich im weiteren Verlauf südlicher an und hinter der Kaltfront des vorerst letzten Tief der Serie flutete die Kaltluft auch den Süden Deutschlands. Am Neujahrsmorgen lag fast deutschlandweit eine Schneedecke, die im nördlichen Schleswig-Holstein örtlich fast einen Meter hoch war. Tatsächlich war die Schneehöhenmessung damals sehr schwierig wegen des starken Windes, der wegen der großen Luftdruckunterschiede zwischen den Tiefs und sich aufbauendem hohen Luftdruck über Skandinavien.
Durch den Wind türmten sich meterhohe Schneeverwehungen auf, die im nördlichen Schleswig-Holstein und rund um Rügen teilweise Höhen von mehr als 5 Metern erreichten. Wie die Karte mit den stärksten Windböen vom 30.12.1978 zeigt, wurden an der Wetterstation in Cuxhaven sogar Böen bis Orkanstärke gemessen. Auch sonst gab es selbst im Binnenland verbreitet Sturmböen.
Schneesturm, Teil 2:
Jede/r dachte damals, dass es eine solche Wetterlage nur einmal geben würde oder vielleicht alle paar Jahrzehnte. Es sollte aber nur etwa sechs Wochen dauern, bis fast die identische Lage erneut auftrat. Wieder zogen atlantische Tiefs in starker westliche Strömung vom Atlantik in Richtung Europa, wieder wurden sie auf eine recht weit südliche Bahn gezeungen und wieder entstand dadurch eine Luftmassengrenze mitten über Deutschland. Da dieses Mal die Zugbahn der Tiefs ein wenig weiter südlich verlief, lagen der größte Teil Norddeutschlands in der kalten Luft und bekam somit heftige Dauerschneefälle ab. Damit war ein weit größerer Bereich von dem Schneesturm betroffen als noch zum Jahreswechsel.
Die Karte mit den Windböen vom 14. Februar 1979 zeigt insgesamt noch stärkeren Wind als zum Jahreswechsel, es gab Böen bis über 100 km/h selbst im Binnenland. Der Schnee wurde daher extrem verweht, was auch die Schneehöhenmessungen extrem schwierig gestaltete. Die Animation zeigt die Schneehöhen in Norddeutschland vom 12.02.1979 bis zum 16.02.1979. Sie zeigt auch, dass bereits vor dem Einsetzen des Schneesturms noch verbreitet größere Schneemengen vorhanden waren. Bis weit nach Niedersachsen hinein wuchs die Schneedecke meist auf mehr als 50 Zentimeter an mit meterhohen Verwehungen.
Dazu ein Augenzeugenbericht des Autors, der damals selbet mitten drin steckte: „In unserem Dorf im südlichen Schleswig-Holstein war es zum Jahreswechsel nicht ganz so schlimm. Am 28. Dezember hatte es noch den ganzen Tag immer wieder geregnet und es war mild. Ich erinnere mich noch gut daran, dass ich am Abend aus dem Fenster schaute und sich plötzlich riesige Schneeflocken unter den Regen mischten. Dann ging alles ganz schnell, innerhalb von Minuten war alles weiß. Es folgten Tage mit Schneefall und Schneetreiben, es bauten sich Schneewehen auf und der Straßenverkehr wurde erheblich behindert. Zum Glück war der Strom höchstens kurz weg, weiter im Norden blieben einige Orte tagelang von der Stromversorgung abgeschnitten. Schlimm war der eisig kalte Ostwind.
Dass sich dann Mitte Februar fast die gleiche Lage noch einmal einstellen würde, hätten wir nicht gedacht. Dieses Mal kam es sogar noch viel schlimmer. Am Dienstagnachmittag fing es leicht an zu schneien und der Wind frischte auf. Es ging alles viel schneller als Ende Dezember. Die meisten Gräben waren noch zugeweht durch den alten Schnee, an den Straßen türmten sich noch die Schneeberge. Bis zum Abend bauten sich bereits die ersten größeren Schneewehen auf. Am folgenden Morgen standen wir früh auf, weil wir dachten, dass der Schulbus früher kommen würde wegen des Schnees. Er war auch schon da, aber steckte hinter einer Schneefräse, die sich festgefahren hatte – dahinter eine lange Schlange an Autos und LKW. Der Schulbus konnte irgendwann umdrehen und es war klar, dass an dem Tag keine Schule stattfinden würde – übrigens für den Rest der Woche auch nicht. Bis zum Abend konnte die Bundesstraße noch mit Schneepflügen soweit freigehalten werden, dass Fahrzeuge in Konvois hinter den Raumfahrzeugen herfahren und so die Strecke über kilometerweit freiem und ebenem Gelände passieren konnten.
Irgendwann am Abend war gar kein Fahrzeug mehr zu sehen, wir wunderten uns schon, bis dann gegen halb zwölf am späten Abend lautes Klopfen und Klingeln an der Haustür zu hören war. Zwei LKW-Fahrer hatten sich – dünn bekleidet – mehr als einen Kilometer über freie Strecke durch den Schnee gekämpft, um Hilfe zu holen. Es würden viele PKW und LKW feststecken, viele Menschen waren in ihren Fahrzeugen gefangen. Die örtliche Feuerwehr wude alarmiert und mit Schaufeln bewaffnet liefen ein paar Dutzend Mitbürger in den Schnee, umd die Eingeschlossenen zu befreien. Sie wurden dann im Dorf verteilt und verbrachten mehrere Tage im Ort. Die Fahrzeuge konnten erst in den folgenden Tagen nach und nach geborgen werden.
Die Versorgung war gar nicht so einfach, der Dorfladen war irgendwann leer und zum Fleischer im Nachbarort kam man nicht. Nachdem große Radlader wenigstens eine Spur halbwegs geräumt hatten, sorgte die Bundeswehr mit einem Panzer für den Einkauf. Bulldozer einer nahen Autobahnbaustelle schleppten einen LKW einer großen Lebensmittelkette frei, der einige Kilometer entfernt stecken geblieben war. Anders als noch Ende Dezember waren die Behörden aber dieses Mal schneller mit Maßnahmen wie Katastrophenalarm und Fahrverboten. Es dauerte Tage, bis nach dem Schneesturm wieder alles halbwegs normal lief. Die Schneeberge an den Straßenrändern lagen sogar noch bis in den April. Für mich war der Winter 1978/79 einer der Gründe, diesen Beruf zu ergreifen.“
Kann eine solche Wetterlage noch einmal auftreten? Ja, dies ist in jedem Winter durchaus möglich. Anders als damals sind die Möglichkeiten sich rechtzeitig zu informieren deutlich besser. Auf unseren Seiten kann man sich nicht nur die aktuellen Vorhersagen und Vorhersagekarten der verschiedenen Wettermodelle ansehen, im Wetterkanal erfolgen vor allem vor größeren Ereignissen zeitig Hinweise auf drohende Gefahren.
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Wahnsinn, was da an Schnee herunter kam. Und heute? 2cm Schnee und nichts geht mehr auf den Straßen. Alles muss beräumt und gestreut sein – am Besten schon 5 Stunden bevor der Schnee überhaupt mal da ist… Man fragt sich, was die Menschen in den Jahrhunderten gemacht haben, in denen öffentlicher oder auch privater Schneeräumdienst noch nicht erfunden waren.
Anbei; Auf youtube gibt es (bezogen auf den Raum der DDR) Videos, die von dieser Zeit erzählen. Sehenswert dabei eine Dokumentation, welche ursprünglich vom MDR stammt und auch Aufnahmen dieser Zeit zeigt. Stichwortsuche: „Der Katastrophenwinter in der DDR 1978-79“.
Dort war es auch wenig besser, als ‚drüben‘.