Analyse und Rückblick Tornado im Kreis Viersen am 16.05.2018
Am Mittwoch, den 16.05.2018 gab es im Kreis Viersen (NRW) einen eindrucksvollen Tornado. Dieser wurde von zahlreichen Augenzeugen gefilmt und damit sehr gut dokumentiert, wie wir in einem ersten Bericht bereits hier zusammengefasst haben. Im Folgenden wollen wir uns sowohl die Radarbilder und das Dopplerradar genauer ansehen als auch die bisherige Einschätzung zur Stärke des Tornados. Zudem werfen wir einen Blick auf die Modellprognosen im Vorfeld der Gewitterlage.
Gewitterzelle und Tornado im HD Radar und Dopplerradar
In der Grafik unten sehen wir links das HD Radar mit der starken Gewitterzelle im Kreis Viersen, die nicht nur einen Tornado brachte, sondern auch größeren Hagel, wie an den rosa bis lila Radarechos zu sehen ist. Rechts ist das Dopplerradar zu sehen: Im Dopplerradar wird die Geschwindigkeit dargestellt, wie schnell sich Niederschlag oder Partikel bewegen und in welche Richtung. Damit lässt sich Rotation in Gewitterzellen erkennen –> mehr zum Dopplerradar hier. Jedenfalls ist die Rotation mit eng beieinander liegendem Rot und Grün (unterschiedliche Windrichtung) gut zu erkennen.
Einordnung – wie stark war der Tornado?
Eine erste Analyse der Schäden ergibt ein sehr unterschiedliches Schadenbild. An zahlreichen Häusern unter anderem in Boisheim wurden die Dächer teilweise abgedeckt, während die Dachkonstruktion weitgehend stabil blieb. Dies deutet auf Schäden im Bereich F1 (118-180 km/h) der Tornado-Skala hin, was einem schwachen Tornado entspricht.
Betrachtet man allerdings die nahezu komplette Zerstörung eines Waldstückes zwischen Boisheim und Dilkrath, ergibt sich ein anderes Bild. An dieser Stelle war der Tornado stärker und muss in die Kategorie F2 (oberhalb 180 km/h) eingestuft werden. Ab dieser Stufe spricht man von einem starken Tornado. Das eindrucksvolle und zugleich beängstigende Video, in dem ein Kleintransporter und ein PKW auf einer Landstraße direkt in den Tornado geraten zeigt damit, wie viel Glück die Fahrzeuginsassen hatten. An dieser Stelle dürfte der Tornado etwas schwächer gewesen sein.
https://www.youtube.com/watch?v=ivyc7hh2rwM
Prognosen der Wettermodelle im Vorfeld – Super HD schneidet erneut am besten ab
Im Folgenden wollen wir einen Blick auf die Wetterlage werfen mit Prognosekarten aus unserem Super HD Modell und auch mit den Prognosen anderer hochauflösender Wettermodelle vergleichen. Warum war die Wetterlage günstig für Tornados und welche Bedingungen haben eine Rolle gespielt?
Unten ist eine Karte mit der vertikalen Windscherung zu sehen (0 bis 1 km). Diese Windscherung ist von großer Bedeutung für die Bildung von Tornados. Quer durch NRW von Nordost nach Südwest war im Vorfeld in der Berechnung des Super HD Modells bereits die Konvergenzzone (mehr dazu weiter unten) mit der deutlich erhöhten Windscherung zu sehen. Dieser Bereich reichte auch bis in den Kreis Viersen (bei Venlo ganz im Westen von NRW).
Die folgenden Karten zeigen das Bodenwindfeld aus der Berechnung des Super HD Modells, in dem ein Zusammenströmen der Luft quer über Nordrhein-Westfalen zu sehen ist. In der ersten Karte habe ich mit einer roten Linie diese Konvergenzzone etwa eingezeichnet. Nun kamen zu dieser für Gewitterauslöse günstigen Konvergenz auch noch labile und feuchtere Luftmassen sowie eben die deutlich erhöhte Windscherung. In den Karten in der zweiten Reihe etwas weiter unten ist die Aufwindhelizität zu sehen. Diese zeigt an, wo das Super HD mit rotierenden Aufwinden/Gewitterzellen rechnet. Da kein Computer mit hundertprozentiger Sicherheit Gewitterzellen ortsgenau berechnen kann, ist dies immer als Hinweis für eine gewisse Region zu sehen. Rot eingekreist sind die im Vorfeld berechneten Gewitterzellen mit Rotation, welche ein Hinweis auf sogenannte Superzellen sind, die eine erhöhte Tornadogefahr bergen. Im Super HD 06z Lauf tauchte eine Zelle auf, die von NO-NRW bis SW-NRW zog, durchweg mit Rotation. Am Ende war sie etwas zu südlich und ca. eine Stunde zu spät, aber viel mehr darf man nicht erwarten. Das ist schon eine unglaubliche Leistung des Wettermodells!
Fazit: Die Gewitterlage mit dem Potenzial für rotierende Gewitterzellen mit Tornadogefahr war bereits in einem Streifen diagonal durch NRW durch das Super HD Modell im Vorfeld angedeutet.
Weitere Voraussetzungen waren gegeben: CAPE (Labilität) ca. 500-800 J/kg, 0-6km Scherung bei ca. 30 Knoten, lokal bis 40, Anregung ideal durch Überlappung von bodennaher Konvergenz, Kurzwelle in 500hPa (VORT500) (Hebung) und einem Low-Level-Jet in 850hPa, der schräg gegen die Boundary blies –> hoch reichende Konvergenz.
Vergleich signifikantes Wetter
Im signifikanten Wetter sehen wir in rosa berechnete Gewitter in den verschiedenen Wettermodellen. Hochaufgelöste Wettermodelle können Konvektion, also einzelne Schauer und Gewitter auflösen, sprich einzelne Zellen und deren Verlagerung und Verhalten berechnen. Wir sehen unten jeweils die Berechnung aus den vier vorangegangenen Modellläufen (15.05.2018 12z bis 16.05.2018 6z) im Vorfeld der Gewitterlage. Wichtig: Wie bereits oben erwähnt, dürfen bei Gewitterlagen immer nur Regionen eingegrenzt werden, in unserem Fall also, ob es in einem Streifen durch NRW Gewitter geben soll oder nicht. Ob das Gewitter dann im Endeffekt Viersen trifft oder Düsseldorf kann immer erst kurzfristig mit dem HD Radar und Dopplerradar erfasst werden (siehe oben).
- Oben unser hauseigenes Super HD Modell
- Mitte das Rapid HD Modell
- Unten das GBR Modell
Fazit: Einzig unser hauseigenes Super HD Modell hatte die Lage am Mittwoch im Griff. Es simulierte durchgehend die Gewitter an der oben beschriebenen Konvergenzzone durch NRW. Die beiden anderen Modelle gaben in keinem der vier vorausgegangenen Berechnungen Hinweise auf die zu erwartende Gewitterlage! Die Lage wurde überhaupt nicht oder zumindest unzureichend erkannt.
Im Folgenden noch ein weiterer Vergleich mit dem HD Radarbild von 18 Uhr und der Prognose aus den drei verschiedenen Wettermodellen für 18 Uhr, jeweils natürlich für den 16.05.2018. Auch hier wird das gute Erfassen der Lage durch unser Super HD Modell deutlich und auch das schlechte Abschneiden der zwei anderen Wettermodelle. Wie bereits oben erwähnt, kommt es nicht auf eine 100% genau Ortsprognose an, sondern um das generelle Erfassen einer Situation (hier Gewitterlage NRW) im Vorfeld!
Haben Sie sich schon auf unsere Webseite kachelmannwetter.com umgeschaut? Wir haben zahlreiche Vorhersagetools, wie die Vorhersage Kompakt Super HD, den XL Trend und Ensemble Vorhersagen für jeden Ort.
Neben unseren weltweiten Messwerten mit umfangreichem Archiv, weltweiten Satellitenbildern (mit Archiv ab 1981) und der weltweiten Blitzortung finden Sie neben dem HD Regenradar zahlreiche weitere von uns entwickelte Radartools, wie beispielsweise das Stormtracking für Gewitter oder unser Sturzflut-Tool!
Außerdem gibt es ein umfangreiches Angebot an Modellkarten, wie für Mitteleuropa und andere Teile der Welt das hauseigene Super HD Modell mit 1×1 km Auflösung und das europäische Modell ECMWF mit unzähligen Vorhersagekarten für die ganze Welt.
Vielen Dank für die zeitnahe Einschätzung der Intensität. Das ist sehr wichtig hier mit verlässlichen Informationen Präsenz zu zeigen. Leider kursieren nämlich bereits in diversen sozialen Medien begriffe wie „violent“ und „F3“.
Seit gestern Abend gehen hier die Meldungen und vor allem Kommentare zum Tornado in alle Richtungen. Schade nur, dass auch eine Vielzahl von Medien dieses Thema regelrecht ausschlachtet und mit reißerischen Schlagzeilen bedacht, auch Nachrichtenmagazine (ungeachtet der jeweiligen Qualität) schreiben vom „Monstersturm“ u.ä.! Die Schäden sind groß, lt. Nachrichten gäbe es auch Verletze (oder einen Verletzten), was schlimm genug ist; reißerische Schlagzeilen auf „Hollywood-Katastrophenfilmniveau“ und Spekulationen über die Stärke des Tornados tragen hier zu einer sachlichen Berichterstattung nicht bei. Sachlichkeit, Schadensaufnahme und Auswertung sind das A und O, die Analyse hier hilft dabei.
Das sehe ich auch so.
Eine Analyse hinsichtlich der Entstehung des Tornados aufgrund er Auf und Abwinddynamik zwischen den beiden Zellen, ähnlich wie hier (https://www.facebook.com/WettergefahrenDeutschland/posts/2196021603790058) wäre noch sehr interessant gewesen, Vorallem mit den hochauflösenden Radar und Dopplerradarbildern wäre das bestimmt sehr verständlich anschaulich gewesen.
Das zerstörte Waldstück schaut schon sehr brutal aus.. Zum Glück ist niemand zu großem Schaden gekommen.